Die Monte Rosa-Hütte
Bildrechte: Folkert Lenz

Die (Neue) Monte Rosa Hütte im Schweizer Wallis ging 2009 als innovative und technologisch modernste Berghütte an den Start.

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Schutzbau oder Sterne-Haus? Berghütten in der Zukunft

WLAN, Dusche, Federbett – die Ansprüche auf Hütten steigen, und mit ihnen die Suche nach Einfachheit. Wer vor der Tourenplanung steht, darf beruhigt sein: Die Diskussion ist schon hundert Jahre alt.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Mondänes Gebirgshaus oder anspruchsloser Schutzbau: Wie könnte sie aussehen, die Berghütte der Zukunft? Die Konzepte sind so unterschiedlich wie die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer. Und die haben sich in den vergangenen 150 Jahren, seit die Alpenvereine begonnen haben, touristische Stützpunkte in den Bergen zu bauen, stark verändert.

Was sich Bergsteiger auf Hütten wünschen

Schutz vor Wetter und Kälte allein reicht nicht mehr, Bergsteigerinnen und Bergsteiger haben heute höhere Ansprüche, sagt Professor Heinz-Dieter Quack, Tourismusexperte von der Ostfalia-Hochschule in Salzgitter: "Sie wollen eine warme Dusche, idealerweise ein Doppelzimmer und nicht unbedingt ein Vier-, Acht oder Mehrbettzimmer. Und entsprechende Verpflegungsangebote bis hin zu möglicherweise sogar WLAN."

Dass Bergsteiger auf Hütten immer nur spartanisch leben wollen, verneint der Touristiker Quack. Wasserklosett, warme Duschen und Federbetten seien bei den meisten Alpinisten willkommen. Daneben suchen sie aber auch die Einfachheit. Immer mehr Hüttengäste wollen eine ökologische Verträglichkeit dessen, was sie tun. Nicht nur bezogen auf das Wandern und Gehen selbst. Sondern auch auf die Art und Weise, wie die Ver- und Entsorgung auf der Hütte funktioniert. Dafür seien die Menschen auch bereit, im Zweifel etwas mehr zu bezahlen.

Mehr als 500 Hütten der Alpenvereine

Die Alpenvereine betreiben allein in Deutschland, Österreich und Südtirol weit mehr als 500 Berghütten. Hinzu kommen mehr als 150 Stützpunkte des Schweizer Alpen Clubs SAC. DAV und ÖAV haben schon 1923 in den "Tölzer Richtlinien" festgelegt, dass ihre Schutzhütten einfach sein sollen – mit simpler Verpflegung und schlichter Ausstattung. Denn schon vor mehr als 100 Jahren rieben sich "echte Bergsteiger" an den Ansprüchen der "Hüttenbummler", wie angeblich nicht ganz so ernsthafte Alpinisten abfällig bezeichnet wurden. Dieser Zwist besteht bis heute.

Auch Prof. Stefan Nungesser, Hotellerie-Fachmann an der Fachhochschule Kärnten, berichtet bei einem Hütten-Expertendialog in Kärnten von der Widersprüchlichkeit der Gäste: Viele wollten "back to the nature", das Runterkommen, die Einfachheit. "Sie sind auch bereit, bestimmte Abstriche zu machen." Das Verhalten werde aber zwiespältig, wenn es am einen Standort ein Drei-Gänge-Menü gebe und am anderen nicht. Auch Schlafsäle und Matratzenlager seien gegenüber Vier- oder Sechsbettzimmern unbeliebter.

Gästen Qualität statt Quantität bieten

Nungessers Tipp für moderne Berghütten: Bietet den Gästen lieber weniger – dafür Hochwertiges. Spezialzimmer für Frauen, veganes Essen, ein kleiner Hütten-Shop, elektronische Bezahlmöglichkeiten, gemütliche Atmosphäre und alpine Einfachheit schlössen sich aber nicht aus. Das alles betrifft vor allem die bewirtschafteten Hütten – meist große Häuser mit Dutzenden oder Hunderten von Plätzen – bisweilen als "Berg-Hotels" verspöttelt.

In abgelegenen Regionen gibt es dagegen zu wenig Gäste, um ein Haus überhaupt auskömmlich zu betreiben. Die Weitwanderin und Mitorganisatorin des Symposiums, die Wiener Unternehmerin Marietta Ulrich-Horn, schlägt deshalb das Konzept der "teilbewirtschafteten Hütte" vor. Sie hat das Modell auf dem "Cammino Celeste" im italienischen Friaul und in den Julischen Alpen kennengelernt. "Wenn man weitwandert, dann kommt man ja hin, um sich zu stärken, auszuruhen, zu waschen, schlafen zu gehen, wieder weiterzugehen." Man brauche vor allem eine Heizung und ein trockenes Bett, aber könne durchaus selber kochen und sich auch den Kaffee machen. Teilbewirtschaftete Hütten, wo der Gastgeber nur Essen mit Self-Service hinstellt, könnten auch Personalprobleme in schwach bewirtschafteten Saisonen lösen, glaubt Ulrich-Horn.

Sind neue Berghütten überhaupt noch angesagt?

Hintergrund des Expertendialogs jetzt: Ein Freundeskreis will die ehemalige Annahütte in den Karawanken nach vielen Jahrzehnten als grenzüberschreitendes Projekt zwischen Österreich und Slowenien wiederaufbauen. Die Annahütte war 1944 während des Zweiten Weltkriegs abgebrannt. Bis heute sind Reste des Fundaments zu finden.

Die Alpenvereine haben schon 1977 einen grundsätzlichen Baustopp für Hütten verhängt, weil sie die Erschließung der Alpen für beendet hielten. Für den Präsidenten des ÖAV Kärnten, Werner Radl, wäre die Errichtung der Annahütte allerdings kein Neubau, sondern ein Wiedererstehen. "Es gab da ja schon eine Hütte und sie fehlt seitdem in der alpinen Infrastruktur." Auf einem Weitwanderweg längs der Karawanken wäre die Annahütte nämlich ein willkommener Stützpunkt, so Radl weiter. Der Alpenverein ist allerdings derzeit nicht als Betreiber einer neuen Annahütte vorgesehen.

Was am Ende dort entstehen könnte – ein modernes Touristenhaus oder ein schlichter alpiner Schutzbau – das müssen die Protagonisten wohl noch weiter diskutieren.

Dieser Artikel ist erstmals am 5.5.2025 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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